Ein Interview mit Wilfried Stimpfl, dem Begründer des Kulturfestes Marmor & Marillen.
Jedes Jahr Ende Juli besinnt sich Laas im Vinschgau auf zwei charakteristische Produkte seiner Wirtschaft: den Marmor und die Marillen. Zwei sehr unterschiedliche Früchte der Erde werden gefeiert und den Besuchern in vielfältiger Weise näher gebracht. Führungen und Exkursionen in den Marmorbruch, ein Festessen im Marmorberg, viele Künstler der bildenden und musischen Künste, Vinschger Köstlichkeiten um die Marille herum …
Der geistige Vater und Begründer von Marmor & Marillen ist Wilfried Stimpfl, mit dem ich mich auf Anhieb gut verstehe. Das offene Lächeln und der leicht freche Blick versprechen ein unterhaltsames Interview.
BB: Wilfried, wie ist Marmor & Marillen entstanden?
WS: Damals, in den späten 90er Jahren, schien mir bei vielen Festen die Freude zu fehlen. Ich habe mich immer wieder und wieder gefragt, warum die jungen Leute so viel Alkohol konsumieren, und dann ja doch nicht fröhlicher sind. Ich fragte mich, was war damals, in meiner Kinder- und Jugendzeit so schön an den Festen für mich und meine Freunde, dass sie mir heute noch in lebendiger und freudvoller Erinnerung sind.
Als ich noch ein Kind war, gingen alle zu den Festen, weil sie eine Abwechslung zum Alltag darstellten. Die Feste waren Gelegenheiten, ganz andere Leute kennen zu lernen. Da kam alles, was Beine hatte. Und dementsprechend bunt zusammengewürfelt war auch das Publikum. Und deshalb war es so spannend auf den Festen. Da war immer unglaublich viel los.
BB: Ist das der selige Blick und die unvoreingenommene Lebensfreude der Kindheit?
WS: Nein, das denke ich nicht. Denn ich erinnere mich, dieselbe Freude bei Erwachsenen, bei jungen und alten Menschen gleichermaßen wahrgenommen zu haben. Und damit stand für mich schon der Grundgedanke für das Kulturfest Marmor & Marillen.
BB: Das ist jetzt 16 Jahre her und Du hast die Organisation inzwischen abgegeben. Ist das Konzept heute noch dasselbe geblieben?
WS: Der Kern ist derselbe geblieben: die Kinder (und mancher Erwachsene) knacken immer noch Marillenkerne auf dem Marktplatz. Es gibt immer noch einen Riesen-Marmorsand-Kasten für die Kinder. Es gibt immer noch viel Musik. Es gibt immer noch viel Austausch mit unterschiedlichsten Menschen. Es gibt immer noch den bunten Markt. Es gibt immer noch die Verkostungsstände mit den Marillenspezialitäten. Es gibt immer noch die Bildhauerei.
BB: Gerade letztere hat sich aber doch stark gewandelt?
WS: In den ersten Jahren haben wir 10 Vertreter aus den unterschiedlichsten Bereichen eingeladen, auf dem Dorfplatz eine Vogeltränke aus Marmor zu stemmen. Da stand der Politiker neben dem Künstler, der Kirchenmann neben dem Freudenmädchen, der Arbeiter neben der Gräfin, die Gewerkschafterin neben dem Gastwirt: je bunter das Bild umso besser erstrahlt der reinweiße Marmor. Jeder bekam einen Marmorblock, das nötige Werkzeug und 4 Stunden Zeit. Da konnte niemand einfach vorbeigehen. Und schon erst recht nicht die Laaser selbst, von denen ganz viele öfter als einmal einen Meißel in der Hand gehalten haben und das Material Marmor bestens kennen. Nicht jeder war mit der großzügig geleisteten Hilfestellung zufrieden (Wilfried lacht).
BB: Was hat sich dann geändert?
WS: Es wurde immer schwieriger, den „bunten Haufen“ zusammen zu bekommen, und die Kunst bekam immer mehr Gewicht, was mich persönlich sehr freut. Deshalb gibt es jetzt seit 2010 die internationale Marmorwerkstatt, die der aktuelle Organisator Dietmar Spechtenhauser ganz wunderbar auf die Beine gestellt hat. Künstler aus der ganzen Welt werden geladen. Die Globalisierung hat sich auch hier niedergeschlagen und insofern sind wir dem Konzept des „bunten Haufens“ vor dem weißen Marmor ja treu geblieben.
BB: Was zeichnet Marmor & Marillen gegenüber anderen Festen aus?
WS: Superalkoholika gibt es nicht, die werden nicht ausgeschenkt. Nur ein spezieller Schnaps wird auf den Buden verkauft, aber der darf bei einem Marillenfest einfach nicht fehlen (lacht) … Du kennst und magst ihn auch, gell? den Marilleler. Ja, er ist ja auch ein ganz besonderer Brand und darf natürlich nicht fehlen bei den Verkostungsständen mit Marmeladen, getrockneten Marillen und Leckereien wie Marillenschnitten und Marillenknödel.
BB: Lieber Wilfried, danke für das Interview.
Wieder durfte ich einen Südtiroler Charakterkopf kennenlernen, der mit viel Lebensfreude, Kreativität und einer Prise Hartnäckigkeit unser Südtirol gestaltet. Welch eine Freude!
Die
Vinschgauer Privatvermieter haben sicher ebenfalls ihre eigene Geschichte zum Kulturfest Marmor & Marillen zu erzählen.