Unser vorletzter Urlaubstag in Eppan war so klar wie die Tatsache, dass wir ihn aktiv erleben würden. Mein Mann hatte sich eine anspruchsvolle Rennradtour über den Mendel- und den Gampenpass vorgenommen – und ich wollte diesem Vorhaben nicht im Wege stehen, denn ich hatte meine eigenen Pläne für
diesen Spätsommertag!
Einmal beides, bitte!
So kam es, dass wir nach dem gemeinsamen Frühstück
im Hause von Lutz, wo wir auch dieses Jahr wieder eine Ferienwohnung gemietet hatten, zum ersten Mal in diesem Urlaub getrennte Wege gingen. Mein sichtlich aufgeregter Mann verschlang sein Frühstück deutlich hastiger als üblich, um mit freudigem Winken auf seinem
Rennrad davonzubrausen. Ich hingegen genoss noch eine weitere Tasse Kaffee und eine Schüssel Obstsalat und grübelte, ob ich mit dem E-Bike lostreten oder doch in den Wanderschuhen aufbrechen sollte. Ich entschied mich … gar nicht – so ein Urlaubstag sollte schließlich lang genug für beides sein! Beschwingten Schrittes lief ich also los, am Pool vorbei in die Garage zum E-Bike. „Wo soll’s denn heute hingehen?“, rief Herr von Lutz mir hinterher, als ich das Eingangstor schon fast hinter mir verriegelt hatte. „
Irgendwo Rad fahren, Herr von Lutz, ohne Plan und ohne Mann!“, antwortete ich unserem Gastgeber mit einem Zwinkern und trat los in Richtung Eppaner Dorfzentrum.
Herrschaftliche und bäuerliche Architektur im Wechselspiel
Die Weinhänge unterhalb der Mendel hatten wir in den vergangenen Jahren schon ausgiebig zu Fuß erkundet und waren einmal sogar mit dem Bike bis nach Gaid auf knapp 1000 m gefahren. So hoch hinaus wollte ich diesmal nicht. Ich entschied mich stattdessen dafür, ohne konkrete Route und ganz nach Lust und Laune durch das dichte Netz an verkehrsruhigen Nebenstraßen zu radeln, das satte Grün, die weiten Ausblicke zu genießen – und erst recht den Anblick der unfassbar prachtvollen
Ansitze, Burgen und Gärten, die Eppan verzieren!
Die Hanglage zwischen Pigenò und Missian entpuppte sich als ideales Auf und Ab für mein E-Bike: Ohne es zu merken, hatte ich irgendwann knapp 25 Kilometer auf dem Tacho, die Mittagszeit war bereits um und mein Rad-Akku halb leer. Wenn
das mit dem Wandern heute noch etwas werden sollte, dann war es aber schleunigst an der Zeit, die Ausrüstung zu wechseln!
Auf zum Wilden Mann
Wenig später sprang ich mit meinen Wanderschuhen als Letzte in den Bus Nr. 139 zu den Montiggler Badeseen. Eigentlich hatte ich ja nochmals die beiden Seen umwandern wollen, unterwegs packte mich jedoch, wie schon am Morgen, die Abenteuerlust. Auf halber Strecke, bei Rungg, stieg ich aus dem Bus und marschierte einfach los – auf’s Geratewohl Richtung Wald.
Guter Dinge folgte ich der Beschilderung zum Kleinen Montiggler See, bis ich nach einer knappen Stunde Gehzeit bei einer Abzweigung auf den Wanderweg zum „Wilder Mann“-Bühel stieß. „Wilder Mann - das klingt spannend!“, dachte ich mir, und schon war ich abgebogen. Dieses spontane Erlebnis-Wandern machte mir so richtig Spaß! Ich folgte in sportlichem Tempo dem gut ausgebauten Waldweg, der nach einer Weile zu einem Steig wurde und sich über drei, vier Serpentinen zum Bühel empor schlängelte. Auf den letzten Metern wurde es dann steiniger, während das tiefdunkle Blau des Himmels immer stärker durch die sich lichtenden Pinien drang. Auf dem Bühel angekommen, fühlte ich mich wie auf einer Festung mitten im Wald. Ich war alleine hier oben und setzte mich auf das Holzbrett, das tüftelige Wanderer zwischen zwei Steinbrocken als Sitzbank verkeilt hatten. Vor mir am Horizont präsentierte sich die Mendel – wo
mein wilder Mann jetzt wohl gerade war?
Glückliche Urlaubsabende
Ich genoss den Ausblick noch ein wenig länger und machte mich schließlich auf den Weg zurück in unsere Ferienwohnung. Mein Mann saß, sichtlich voller Stolz und Freude über seine
erlebte Biketour, schon mit einem kühlen Bier auf dem Balkon. „Wie war dein Tag?“, erkundigte er sich gleich, als er meine strahlend-müde Miene sah. „Ich war beim wilden Mann!“, antwortete ich und gab ihm einen sanften Kuss auf die Stirn. „Kein Grund zur Sorge – so heißt ein Hügel im Montiggler Wald!“, erwiderte ich augenzwinkernd auf seinen irritierten Blick und setzte mich zu ihm.
Nach einem getrennt verbrachten, überaus spannenden Urlaubstag hätte unser gemeinsamer Abend schließlich nirgendwo besser – und
ent-spannender! – beginnen können, als in der milden Abendluft bei von Lutz!